Montag, 10. November 2008

Das Amt fuer Auslaender

Das Ausländeramt ist in einem hässlichen langgezogenen sechsstöckigen Betonbunker untergebracht. Gleich daneben steht eine andere Behörde. „Ich liebe mein Land, ich zahle meine Steuer“, ist auf einem riesigen Schild über dem Eingang zu lesen. Muss wohl das Finanzamt sein. Ich aber habe im Moment andere Sorgen. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, meinen Aufenthaltsstatus in der Türkei zu legalisieren und eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Was im Endeffekt wieder bedeutet: anstellen und warten. Noch bevor die Menschen zur Behörde vorgelassen werden, müssen sie in einem kleinen Raum ihre Pässe oder Personalausweise vorweisen. Eine Schlange gibt es für die türkischen Staatsbürger, eine für die Ausländer. Die drei Beamten hinter dem Pult notieren jeden Namen. Vorbeigelassen gehen die orientierungslosen Antragsteller über einen weiträumigen Innenhof und in die Behörde hinein.
Wer ausländisch ausschaut, wird vom gelangweilten Türsteher gleich in den ersten Stock gewinkt. Dort geht es zunächst zur Schlange vor der Information. Nicht wegen der Information, sondern weil dort die Nummern verteilt werden, die für das Warten vor dem nächsten Schalter notwendig sind. Als ich an der Reihe bin, schiebe ich dem Beamten hinter der Glaswand durch den Schlitz die Dokumente zu: ein Formular, ein anderes Formular, eine Kopie des Passes, eine Kopie des Visums, eine Bestätigung über vorhandene Geldmittel, eine Bestätigung über den Besuch des Sprachkurses, vier Passfotos. Und wo ist der Antrag, der Antrag auf Türkisch?, will der Mann wissen. Wie, um Gottes willen, soll ich einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung auf Türkisch schreiben?, frage ich den Mann mehr mit Augen und Händen als mit der Zunge. Der Beamte seufzt. Er nimmt ein Stück Papier, schreibt zwei kurze Sätze darauf und lässt mich unterzeichnen. Ich unterschreibe und hoffe, dass es nicht gerade die Einwilligungserklärung für einen Eintritt in die Armee war. Danach soll ich mich am Kassenschalter anstellen (dort geht es am schnellsten) und mit der Quittung wiederkommen. Am nächsten Tag werde meine Aufenthaltsgenehmigung fertig sein.
Im Hintergrund klappern Tastaturen. Hinter den hinter der Glaswand sitzenden Beamten ist eine zweite Reihe mit Schreibtischen aufgestellt. Neben dem Computer haben die Menschen riesige aufgeschlagene Bücher liegen. Dort werden händisch die Namen der angemeldeten Ausländer eingetragen, deren Foto wird eingeklebt. Spalte um Spalte füllen die Beamten mit den Daten der Neuankömmlinge, blättern die Seite um und schreiben die nächsten Informationen auf. Wo werden diese Bücher aufbewahrt, wer kann etwas auf diesen Millionen von Seiten wieder finden?
Am nächsten Tag stelle ich mich vor dem Schalter an, an dem die fertig gestellten Aufenthaltsgenehmigungen ausgeteilt werden. Die Beamten sind gerade von der Mittagspause zurückgekommen. Sie setzen sich auf ihre Plätze, öffnen langsam die Schubladen des Tisches, nehmen die zuvor dort verstauten Kugelschreiber heraus und auch die Stempel, einen nach dem anderen und ohne Eile. Der jüngere Mann ordnet alles auf dem Schreibtisch, dann schaut er auf, lässt seinen Blick durch die Gesichter der Wartenden schweifen, zeigt einen Anflug von Lächeln. Na gut, gibt er zu verstehen: Wenn ihr unbedingt wollt, dann fangen wir an. Er sammelt die Zettel ein, die die Menschen an den Schaltern zuvor bekommen haben und auf denen die Wartenummer für die Aufenthaltsgenehmigung steht. Dann steht er auf, geht in einen Nebenraum, sucht in einem Ordner nach den Dokumenten. Mit einem Stapel Ausweise und Papiere kommt er zurück, setzt sich wieder, öffnet einen Ausweis. „Tadschikistan“, ruft er. Ein junger Mann schiebt sich nach vorne, nimmt seine Aufenthaltsgenehmigung entgegen, unterschreibt ein Papier, das dann mit drei verschiedenen Stempeln versehen wird. „Ukraine“, ruft der Beamte dann. Es folgen Usbekistan, noch mal Ukraine, Rumänien, Bulgarien… Und wo bleibt Österreich? Der Mann zuckt mit den Schultern: Ist wohl noch nicht fertig. Ich solle am nächsten Tag wiederkommen. Ein Engländer rät mir, es nicht wörtlich zu nehmen. Er spricht aus fünfjähriger Erfahrung, da er seine Aufenthaltsgenehmigung jedes Jahr erneuern muss.Nach einer Woche habe ich meine Aufenthaltsgenehmigung für ein halbes Jahr in der Hand. In erster Linie bedeutet das: Ich muss das Ausländeramt sechs Monate lang nicht betreten.