Montag, 5. Januar 2009

Unter Wasser

„Na seawas, es pisst ja ordentlich draußen“, denke ich, als ich mitten in der Nacht aufwache. Zufrieden ziehe ich meine warme Bettdecke enger um mich und schlafe wieder ein. In der Früh regnet es noch immer so stark. Seltsam nah ist das Geräusch. Ich gehe in die Küche. Und merke, dass es nicht der Regen war, den ich gehört habe. Das Wasser ist drinnen. Es schießt mit vollem Strahl unter der Abwasch hervor, es fließt ungehemmt auf den Holzboden, es hat die Küche unter Wasser gesetzt. Ich versuche, die geplatzte Wasserleitung irgendwie zu fixieren, der nicht zu bändigende Metallschlauch spritzt mich von oben bis unten voll. Wo ist bloß der Hahn, um das Wasser abzusperren? Im durchnässten Nachthemd renne ich vor die Tür, drehe am Hahn. Das Wasser lässt sich nicht abwürgen. Ich renne wieder in die Wohnung, streife mir eine Hose über und klopfe an die Tür der einen, dann der anderen Nachbarn. Ist es der wirre Blick, das nasse Haar, die seltsame Kombination aus Hose und Nachthemd? Oder schlafen noch alle? Niemand öffnet, niemand hilft.
Schließlich gelingt es mir, den Wasserhahn zuzudrehen. Ich versuche, Kubikliter von Wasser vom Holzboden aufzuwischen. Auf einmal klopft es an der Tür. Eine Nachbarin erzählt etwas von Wasser. Ich weiß, gebe ich ihr zu verstehen und zeige auf mein Wasser. Dann gehe ich mit ihr nach unten. Zentimetertief steht der Gang unter Wasser, es fließt die Wände des Kellers entlang, der sich unter meiner Wohnung befindet. Wenigstens habe ich keine weitere Wohnung unter Wasser gesetzt. „Allah Allah“, jammert die Nachbarin, und ich jammere in gebrochenem Türkisch mit. Ob ich beim Aufräumen helfen kann? Sie macht eine abweisende Handbewegung. Ist schon gut, ich soll mich um meine Überschwemmung kümmern.
Bis der Klempner kommt, dauert es nicht einmal sieben Stunden. Ich sitze vor dem Heizkörper – habe ich schon erwähnt, dass diese wunderschöne alte Wohnung mit ihren hohen Räumen verdammt schlecht zu heizen ist? – und höre dem Wasser beim In-den-Eimer-tropfen zu. Der Klempner also kommt mit seinem kaum 17-jährigen Gehilfen, kratzt sich am Kopf und ortet ein Problem. Dann lässt er seinen Assistenten unter die Spüle kriechen. Für seinen klobigen Körper wäre nicht Platz genug. Er raucht eine Zigarette und gibt seinem Lehrling Anweisungen. Das Verbindungsstück in der Wasserleitung sei schlechte Qualität gewesen, sagt er. Aus China. Aha. Und was kümmert mich das? Ich bin erst vor einem Monat eingezogen, die Wohnung ist zuvor komplett renoviert worden, die Leitungen waren neu. Aber er, erklärt mir der Klempner, verwendet türkisches Material. Aha. Und wann platzt diese Leitung? will ich wissen. Ach Mädchen, sagt er und klopft mir auf die Schulter. Wenn du mit dem Auto unterwegs bist, dann kann ja auch ein Unfall passieren. Wer weiß schon, was sein kann… Diese Kismet-Sache, dieses Was-kommen-soll-kommt-eben, kann ziemlich auf die Nerven gehen. Macht eure Arbeit ordentlich, verwendet kein schlechtes Material – es geht hier nicht um Kismet sondern um Pfusch, würde ich am liebsten entgegnen. Doch dafür reicht mein Türkisch nicht aus. Also lächle ich wie gottergeben.

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