Sonntag, 18. Mai 2008

Türkische Maenner und auslaendische Frauen

Neben den politischen und wirtschaftlichen Aspekten gibt es da noch eine Frage, die mich beschäftigt: Warum glauben so viele türkische Männer, dass die meisten Ausländerinnen Schlampen sind? A. hat eine interessante Theorie entwickelt: Im Harem des Sultans waren viele Sklavinnen zu finden. Doch muslimische Frauen durften nicht versklavt werden, also waren es zum Beispiel Griechinnen. Vielleicht rührt das sexuelle Interesse an Ausländerinnen noch aus der Zeit? Doch A. ist eine Frau, und daher ist ihre Erklärung eine rationale. Um die – nennen wir’s – Emotionen zu ergründen, habe ich eine kleine Umfrage unter türkischen Männern gestartet.
O., ein Architekt, der sich eine Ukrainerin zur Frau genommen hat (die seit ihrer Ankunft in Istanbul ziemlich unglücklich ist, weil sie bei seinen Eltern wohnen muss und alleine so gut wie gar nicht außer Haus gehen soll), findet: „Mit Ausländerinnen ist es leichter. Türkische Frauen sind komplizierter: Wir geben alles für sie, und sie erhören uns nicht.“ Heißt das, Ausländerinnen seien leichter zu haben? Nein, nein, so habe er das nicht gemeint, dementiert O. Türkische Männer stieren Frauen halt an.
S., der in einer Bank arbeitet, sieht die fehlende Bildung als Ursache. Wenn die Menschen gebildeter sind, Bücher lesen, ins Kino gehen, reisen und mehr kennenlernen als ihre kleine Welt, dann entwickeln sie auch ein normaleres Verhältnis zu Leuten aus anderen Ländern. Und kurze Zeit später legt S., der Bücher liest, ins Kino geht und reist, mir seine Hand auf den Oberschenkel.
B. wiederum, ein Musiker mit Hang zu Esoterik, erklärt mir, dass ich schon selber wie eine türkische Frau klinge. Ich würde nämlich ebenfalls so viel hinterfragen, obwohl doch den Menschen etwas mehr Naivität gut tun würde. Dann aber versucht B. doch, eine Antwort auf meine Frage zu finden. Türken hätten teilweise einen Sexualkomplex, sagt er. Einerseits mühen sie sich, westliche Muster anzunehmen, auf der anderen Seite aber sind sie in alten Strukturen gefangen. Sie wollen, können aber nicht so, wie sie möchten. Außerdem war in der osmanischen Zeit Vielweiberei gang und gäbe. Das wirke noch fort. Ist zwar keine Entschuldigung, würde aber A.s historische Theorie unterstützen.
M. jedoch, ein Kellner, der seine Berufung in der Schauspielerei sieht und „nur übergangsweise“ in einer Bar arbeitet, meint, es sei gar nicht so. Keinesfalls würden Ausländerinnen alle als Schlampen angesehen. Dann schaut er mir tief in die Augen und fragt, ob ich mit zu ihm komme.

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